5 überraschende Wahrheiten über die schwindende Dominanz des Dollars

Die Vormachtstellung des US-Dollars gilt seit Jahrzehnten als unumstößliche Wahrheit der globalen Finanzarchitektur. Doch hinter den Kulissen der Weltwirtschaft vollzieht sich eine tiefgreifende und stille Verschiebung. Diese Erosion der Dollar-Dominanz wird nicht nur von geopolitischen Rivalen vorangetrieben, sondern auch von unerwarteten Akteuren: Amerikas engsten Verbündeten und, was am alarmierendsten ist, von den USA selbst. Die tektonischen Platten der globalen Finanzordnung verschieben sich – und die Gründe dafür sind komplexer und überraschender, als es auf den ersten Blick scheint.

Narmer Menes

10/9/20254 min read

1. Die Dollar-Dominanz ist eine Falle – und Amerika will entkommen

Die Rolle als Weltreservewährung wird oft als "exorbitantes Privileg" bezeichnet – die Fähigkeit, Importe mit selbst gedrucktem Geld zu bezahlen. Doch diese Position birgt auch ein "hegemoniales Dilemma", ein strukturelles Merkmal des Post-Bretton-Woods-Systems, das Segen und Fluch zugleich ist. Die USA müssen als globaler "spender of last resort" agieren, was bedeutet, dass sie mehr importieren als exportieren müssen, um die Welt mit den für Handel und Reserven benötigten Dollars zu versorgen. Diese strukturelle Notwendigkeit, die überschüssigen Ersparnisse der Welt aufzunehmen, erzwingt chronische Handelsdefizite.

Dieser Mechanismus hat über Jahrzehnte die industrielle Basis Amerikas systematisch ausgehöhlt, Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie gekostet und die politischen Missstände geschaffen, die Bewegungen wie "America First" befeuern. Diese Bewegung ist letztlich der Versuch, dieser globalen Verantwortung zu entkommen und die Nachteile des Privilegs abzuschütteln. Die USA, der Architekt des Systems, zeigen Ermüdungserscheinungen und senden Signale aus, dass sie die Last der globalen Führung nicht mehr um jeden Preis tragen wollen.

2. Es sind nicht nur Amerikas Feinde, die dem Dollar den Rücken kehren

Die Abkehr von US-Staatsanleihen ist keine Bewegung, die ausschließlich von geopolitischen Gegnern wie China oder Russland angeführt wird. Vielmehr sind es auch engste Verbündete und strategische Partner Washingtons, die ihre Portfolios neu ausrichten. Nach der Wiederwahl von Donald Trump im Jahr 2024 reduzierten zahlreiche Länder ihre Bestände an US-Staatsanleihen signifikant, darunter das Vereinigte Königreich (minus 44,1 Milliarden US-Dollar), Japan (minus 27,3 Milliarden US-Dollar), die Schweiz (minus 9,7 Milliarden US-Dollar) und Saudi-Arabien (minus 15,1 Milliarden US-Dollar).

Der Hauptgrund ist nicht geopolitische Konfrontation, sondern pragmatische Risikobewertung. Die Sorge vor politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit in den USA, gepaart mit einer unberechenbaren Handelspolitik, veranlasst selbst treue Partner, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu verringern und sich gegen die Volatilität der US-Politik abzusichern.

3. Die wahre Gefahr für den Dollar ist nicht BRICS, sondern Amerikas Schuldenberg

Die BRICS+-Gruppe wird oft als die größte Bedrohungsallianz für die Dollar-Dominanz dargestellt. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich jedoch als zu heterogen, um eine kurzfristige, koordinierte Alternative zu schaffen. Interne Konflikte wie der Grenzstreit zwischen Indien und China oder die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sowie die erdrückende wirtschaftliche Dominanz Chinas behindern ein geschlossenes Vorgehen. Die Motivation der BRICS-Staaten fasste der Politologe Ivan Krastev treffend zusammen: "Sie wollen am Tisch sitzen und nicht auf der Speisekarte stehen."

Die weitaus größere und unmittelbarere Bedrohung für den Dollar ist hausgemacht: der massive US-Schuldenberg von 36 Billionen Dollar, was etwa 120 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Die Zinskosten für diese Schulden übersteigen bereits die Militärausgaben. Besonders brisant: Bis Ende 2025 werden US-Staatsanleihen im Wert von rund 7,5 Billionen Dollar fällig und müssen zu voraussichtlich deutlich höheren Zinsen refinanziert werden.

In diesem Umfeld wächst die Sorge vor den sogenannten "Bond Vigilantes" – Investoren, die eine Regierung für eine als unverantwortlich empfundene Fiskalpolitik bestrafen, indem sie Staatsanleihen verkaufen und so die Zinsen in die Höhe treiben. Dies ist keine theoretische Gefahr: Die Clinton-Administration in den 1990er-Jahren und die britische Premierministerin Liz Truss 2022 erlebten, wie die Märkte ihre Regierungen für fiskalische Fehltritte abstraften. Diese Anleihenwächter sind eine potente, marktgetriebene Kraft, und die größte Gefahr für den Dollar kommt nicht von außen, sondern aus dem Inneren des US-Haushalts.

4. Chinas Strategie ist kein plötzlicher Angriff, sondern eine langsame Aushöhlung

Der Mythos eines drohenden "Anleihenkriegs", bei dem China seine riesigen Bestände an US-Staatsanleihen schlagartig auf den Markt wirft, ist unrealistisch. Ein solcher Schritt würde den Wert der verbleibenden chinesischen Reserven vernichten und somit Peking selbst massiv schaden. Chinas tatsächliche Strategie ist subtiler und auf lange Sicht angelegt: eine methodische und schrittweise Aushöhlung der Dollar-Abhängigkeit. Diese Strategie stützt sich auf drei Säulen:

  • Stetiger Abbau: China hat seine Bestände an US-Staatsanleihen leise und kontinuierlich von einem Höchststand von 1,3 Billionen Dollar im Jahr 2013 auf den niedrigsten Stand seit 2009 reduziert. Dieser Prozess erfolgt schrittweise, um die Märkte nicht zu alarmieren.

  • Aufbau von Alternativen: Durch globale Initiativen wie die "Belt and Road Initiative" (BRI) fördert China aktiv die Nutzung seiner eigenen Währung, des Renminbi, bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten und im bilateralen Handel.

  • Schaffung eigener Systeme: Mit dem Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) entwickelt China eine Alternative zum westlich dominierten SWIFT-System. Ziel ist es, sich vor potenziellen US-Sanktionen zu schützen und einen von Washington unabhängigen Kanal für internationale Transaktionen zu etablieren.

5. In einer unsicheren Welt erlebt das älteste Geld ein Comeback: GOLD

Als Reaktion auf die zunehmende geopolitische Unsicherheit und die Risiken im US-Finanzsystem greifen Zentralbanken weltweit auf den ultimativen "sicheren Hafen" zurück: Gold. Dieser Trend ist weit mehr als eine simple Diversifizierung. Es ist eine strategische Entscheidung zur "Selbstversicherung" – eine Absicherung gegen die Reichweite von US-Sanktionen und eine bewusste Verringerung der Abhängigkeit vom dollar-basierten Finanzsystem.

Länder wie China, Indien, die Türkei und Polen sind zu führenden Goldkäufern aufgestiegen und stocken ihre Reserven systematisch auf. Der strategische Kalkül dieser Nationen ist klar: Jede Unze Gold, die den Tresoren einer Zentralbank hinzugefügt wird, ist ein bewusster Schritt, die eigene finanzielle Souveränität zu stärken und die Abhängigkeit von den politischen Launen und der fiskalischen Gesundheit einer einzigen Nation zu reduzieren. Aus ihrer Perspektive ist dies ein kalkulierter Schritt zur Schaffung einer widerstandsfähigeren, multipolaren Finanzwelt.

Schlussfolgerung

Die Erosion der Dollar-Dominanz ist kein bevorstehendes Einzelereignis, sondern ein vielschichtiger Prozess, der bereits in vollem Gange ist. Er wird gleichermaßen von Amerikas gewaltigen internen Herausforderungen – insbesondere seiner Verschuldung – wie auch von externen strategischen Neuausrichtungen durch Verbündete und Rivalen angetrieben. Diese Entwicklung zwingt uns zu einer fundamentalen Frage: War eine Welt, die auf der Währung einer einzigen Nation aufgebaut war, jemals wirklich nachhaltig, und wie könnte eine multipolare Finanzordnung aussehen, in der Vertrauen neu definiert werden muss?